Verfasst von: mekin | 03/24/2009

[review]>>Sabine Nuss / Ingo Stützle: Privatize Me!

They gonna privatize the airSabine Nuss/Ingo Stützle (2008): Privatize Me! In: Antifaschistische Linke Berlin (Hrsg.), They Gonna Privatize the Air (online bestellen), S.5-8. Überarbeitete Version aus ak – Zeitung für linke debatte und praxis, Nr.507.

Öffentliche Güter, wie Bildung, Energieversorgung, Transport u.a., werden seit einiger Zeit privatisiert. Sabine Nuss und Ingo Stützle gehen in ihrem Beitrag für die „Broschüre über Privatisierung im allgemeinen und konkret und die Kämpfe dagegen“ der Frage nach dem Verhältnis von öffentlichen Gütern, Staat und Kapital nach. Auch wenn die Privatisierung sich gegenwärtig in einer Legitimationskrise befindet, ist der Kampf um öffentliche Güter längst nicht zu Ende. Vielmehr ist davon auszugehen, dass unter neoliberalen Vorzeichen dem Kapital durch Privatisierungen neue Anlagemöglichkeiten zugeführt werden sollen.

Öffentliche Güter sind ambivalent bestimmt, zum einen dienen sie der Verbesserung der Lebensqualität, zum anderen sind sie „allgemeine Produktionsbedingungen des Kapitals“ (Marx). In kapitalistisch verfassten Gesellschaften nimmt der Staat, bei Nuss und Stützle als Verdichtung sich überlagernder, mit unterschiedlicher Macht ausgestatteter und in Herrschaftsverhätnissen organisierten Einzelinteressen verstanden, die Funktion des „ideellen Gesamtkapitalisten“ ein (Vgl. S.6). Im Interesse an erfolgreicher Akkumulation des Kapitals organisiert er Aufgaben wie Justiz, Armee und Polizei, die zum Teil gegen, zum Teil mit Zustimmung der Bürger_innen das „Allgemeinwohl“ durchsetzen. Der Staat garantiert noch weitere Aufgaben, „nämlich dann, wenn sie das Einzelkapital aus Gründen mangelnder Rentabilität in der benötigten Form nicht produziert, sie aber als allgemeine Produktionsbedingungen für das Kapital benötigt werden“ (S.7). So war etwa in den 1960er und 1970er Jahren ein nicht warenförmiger Charakter von Bildung funktional für die Wirtschaft (mangelnde akademische Fachkräfte), der staatliche Bildungssektor wurde auch da sich von wirtschaftlichen Interessen verschiedene Motive von unteschiedlichen Akteuren artikuliert werden konnten.

Im Zuge der erstarkenden Organisations- und Produktionsmacht der ArbeiterInnen, sowie der Ausreizung von Produktivitätsreserven des fordistischen Produktionsmodells wird ein neoliberaler Diskurs in Politik, Gesellschaft und Wirschaft hegemonial, der neben dem Druck auf Löhne, der Reorganisation der Produktion und der Investition in den Finanzmarkt auch die Privatisierung bisher staatlicher bereitgestellter öffentlicher Güter fordert. Dem Kapital sollen so neue Anlageformen zugeführt werden, um den steigenden Druck auf die Profitrate entgegenzuwirken.

Zwei Formen der Privatisierung sind nach Nuss und Stützle zu unterscheiden. Erstens die formelle Privatisierung, nach der Produkte und Dienstleistungen zwar in staatlichen Unternehmen aber nach privatwirtschaftlichen Kriterien erbracht werden, und zweitens die materielle Privatisierung (Verkauf von Unternehmen).In beiden wandelt sich der Zweck der Produktion: Die Maximierung des Profits ist der Zweck, statt der Versorgungssicherheit der Nutzer_innen. Zu problematisieren sind Privatisierungen, da hier zentrale momente der kapitalistischen Produktion aktiviert werden, wie etwa die Senkung von Lohnkosten, und da in der (privat)kapitalistischen Produktion von Waren irrelevant ist, ob alle Menschen gleichen Zugang zu ihr haben.

Neben positiven Folgen wie dem Druck auf Löhne können Privatisierungen jedoch auch die Kalkulation von Preisentwicklungen (etwa Energe, Erdöl) erschweren und Qualitätsverluste die allgemeinen Verwertungsbedingungen des Kapitals beeinträchtigen (Krisen im Transport- oder Finanzwesen). Diese Qualitätsverluste und soziale Folgen führt zwar zu einer Legitimierungskrise von Privatisierungen (Bürgerentscheide und Meinungsumfragen dokumentieren schwindene Zustimmung), in Zukunft ist aber nicht von einer Rücknahme der Privatisierungspolitik auszugehen. „Die gegenwärtige Legitimationskrise leitet vielmehr eine zweite Phase der Privatisierung ein, in welcher (…) Legitimitätsprobleme und negative Effekte der ersten Phase bedacht und im Rahmen weitere Privatisierungen reflektiert werden.“ (S.8). Es gibt daher allen Grund Privatisierung als Gegenstand linker Politik zu verstehen, gerade deshalb, da über öffentliche Güter eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden kann.


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